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Mit Zwang zum Umgang?


von Rechtsanwältin Almuth Zempel

Einleitung


Das Bundesverfassungsgericht musste sich auf die Verfassungsbeschwerde eines nichtehelichen Vaters mit der Frage beschäftigen, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, einen durch gerichtlichen Beschluss zum Umgang mit seinem Kind verpflichteten Elternteil durch Zwangsmittel zum Umgang anzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 33 FGG verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Unterhaltspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteil zu unterbleiben hat, es sei denn, es liegen im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte vor, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.

Rechtliche Grundlagen


Durch das Kindschaftsreformgesetz, in Kraft getreten am 1. Juli 1998, ist in §1684 Abs. 1 BGB geregelt worden, dass den Eltern nicht nur ein Recht zum Umgang mit dem Kind zusteht, sondern sie auch dazu verpflichtet sind. Gleichzeitig ist dem Kind ein eigenes Recht auf Umgang zugestanden worden.
Neben den im Abs. 1 geregelten Rechte und Pflichten bestimmt § 1684 Abs. 2, dass das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechtes entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln kann. In den seit Inkrafttreten ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen ist überwiegend entschieden worden, dass aus dem Wortlaut der Vorschrift zu folgern sei, dass diese konstituierte Pflicht auch durchsetzbar im Wege der Vollstreckung sein muss.
Die Vollstreckung eines Beschlusses, durch den das Familiengericht das Umgangsrecht eines Kindes regelt, richtet sich nach § 33 FGG, es wird durch die Verhängung von Zwangsgeld vollstreckt. An diese Vorschrift nun knüpft die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes an.

Konkret wird festgestellt, dass der Beschluss des brandenburgischen Oberlandesgerichtes, durch welchen dem Kindesvater ein Zwangsgeld für den Fall der Verweigerung des Umgangs mit seinem Kind angedroht worden ist, den Kindesvater in seinem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Zum durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Bereich gehört nach der Entscheidung auch der familiäre Bereich und die persönlichen Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern. Dazu gehört auch die Beziehung zwischen Elternteil und Kind, wobei diese Beziehung nicht zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gehört, denn sie weist einen erheblichen sozialen Bezug zum betroffenen Kind auf, dessen Interessen und Persönlichkeitssphäre von dieser Entscheidung berührt werden. (Verweis auf BverfGE 96, 56). Den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Vaters sieht das Gericht darin, dass entgegen seiner eigenen Einstellung er gezwungen sein soll, persönlichen Kontakt mit dem Kind zu pflegen und auf diese Art und Weise sich so zu verhalten, wie er es selbst nicht will.


Mit der Zuordnung der Beziehung in die Privatsphäre, aber nicht zum inneren Kern der Privatsphäre wird die Prüfung verfassungsrechtlicher Schranken eröffnet. In diesem Kontext steht die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von §1684 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist als Ausgestaltung der durch Art. 6 Abs. 2 den Eltern zugestanden Rechtes auf Pflege und Erziehung ihres Kindes zu sehen. Den Eltern wird gleichzeitig aber die korrespondierende Verpflichtung zu Pflege und Erziehung bereits im Grundgesetz auferlegt. Diese Verpflichtung besteht nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch direkt dem Kind gegenüber. Die Eltern schulden dem Kind ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten. Durch die Einräumung des Rechtes, in erster Linie die Entscheidungen für eine anderen Person zu treffen, auf diese Person einzuwirken und auf ihre Persönlichkeitsentfaltung maßgeblich einzuwirken, sind die Eltern verpflichtet, bei der Ausübung diesen Rechtes ihr Handeln maßgeblich am Wohl des anderen auszurichten. Besonders deshalb, weil das Kind noch nicht selbst Verantwortung tragen kann und der Unterstützung seiner Eltern lebensnotwendig bedarf. Daraus resultiert die Überlegung, dass das Kindeswohl maßgebliches Kriterium für die im Auslegung sowohl von Art. 6 auch der das Grundrecht konkretisierenden Vorschrift des § 1684 BGB ist.


Das Bundesverfassungsgericht führt ausdrücklich an, dass es dem Wohl des Kindes grundsätzlich zu Gute kommt, wenn es durch Umgang mit seinen Eltern die Möglichkeit erhält, diese kennen zu lernen, vertraut zu werden und eine persönliche Beziehung zu ihnen aufzubauen. Dementsprechend ist die Verweigerung jeglichen Umganges ein maßgeblicher für das Kind und seine Entwicklung entscheidender Entzug elterlicher Verantwortung und zugleich die Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der durch Art. 6 GG auferlegten Erziehungspflicht und die Konkretisierung der Verpflichtung durch § 1684 BGB verfassungsrechtlich in Ordnung. Daraus folgert nun zutreffend, dass in der Verpflichtung zum Umgang noch kein Verfassungsverstoß zu sehen ist. Insbesondere hat das Gericht auch der Argumentation des Beschwerdeführers eine Absage erteilt, in der Verpflichtung läge ein Verstoß auch gegen Art. 6 GG, weil seine Familie durch den erzwungenen Kontakt mit dem Kind betroffen sei.


Erst in der Frage der Durchsetzbarkeit mit Zwangsmitteln kommt das Gericht zum Ergebnis, dass ein nicht mehr gerechtfertigter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt. Es folgt der Überlegung, dass im Normalfall nicht mehr von einer Kindeswohldienlichkeit der Umgangskontakte ausgegangen werden kann, wenn aufgrund beharrlicher Weigerung gegen den Unterhaltsverpflichteten Zwangsmittel angewendet werden müssten. Ein erklärter und an den Tag gelegter Widerwille kann in einem Kontakt zum Kind, der nur aufgrund eines Zwangsmitteln erfolgt, nicht ohne Auswirkungen auf das Kind bleiben. Wenn dann zu erwarten sei, dass das Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt, dann dient der Umgang nicht mehr dem Kind, sondern schadet ihm. Aufgrund der fehlenden Rechtfertigung durch das Kindeswohl liegt dann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vaters vor.


Das Bundesverfassungsgericht hat folgerichtig einen Unterschied gemacht zwischen der Verpflichtung eines Elternteiles zum Umgang mit dem Kind und der zwangsweisen Durchsetzung der Verpflichtung. Man mag dagegen einwenden, dass eine Verpflichtung, die jedenfalls im Regelfall nicht durchsetzbar ist, auch keinen Sinn macht. Unabhängig davon, dass sich eine solche These nicht verallgemeinern lässt, ist sie in im übrigen Rechtssystem teilweise fest verankert, (§ 888 Abs. 3 ZPO), teilweise Rechtsrealität. Die Überlegung, dass ein erzwungener Umgang dem Kind eher schadet als nutzt, dürfte aufgrund der Lebensrealität sich jedem erschließen. Die Begründung des Verfassungsgerichtes, dass nämlich der Verfassungseingriff allein durch das Kindeswohl sich begründet oder verneint, befreit auch elegant von der Lösung des Konfliktes zwischen persönlicher Freiheit und Verantwortung. Mit aller Deutlichkeit geht das Gericht zunächst von einer Verpflichtung des Vaters aus und stellt auch klar, dass es in der Verweigerung des Umgangs eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 6 sieht. Die Verpflichtung zum Umgang aus § 1684 wird dementsprechend nicht nur gerechtfertigt, sondern bestärkt. Allein in der Tatsache, dass diese Verpflichtung dann nur aufgrund des Zwangs seitens des Staates erfüllt wird, ohne dass auch nur ansatzweise eine Bereitschaft des Vaters dazu besteht und damit zu befürchten wäre, dass die damit verbundene negative Haltung des Vaters sich dem Kind nicht nur erschließt, sondern es diesem dann im Kontakt auch unmittelbar ausgesetzt wird, liegt dann die Begründung des Verfassungsverstoßes und keineswegs in einer Billigung der Entscheidung des Vaters seitens des Gerichts. Auch bleibt die Option offen, dass im Einzelfall auch die zwangsweise Durchsetzung nicht kindeswohlschädlich ist, dann die Vollstreckung der Umgangspflicht zulässig bleibt. Das bedarf allerdings der konkreten Feststellung des Gerichts, das eine solche Entscheidung sicher nicht ohne sachverständige Beratung treffen kann.


Auswirkungen für die Praxis


Die Entscheidung, richtig verstanden, kann letztendlich zu grundlegenden Änderungen in der Praxis nicht führen. Das Bundesverfassungsgericht bestärkt noch einmal die Bedeutung des Umgangsrechtes, was sich sowohl gegen Umgang verweigernde betreuende Elternteile, als auch gegen den Umgang verweigernde nicht betreuende Elternteile richtet. Wer eine Rechtfertigung sucht, keinen Umgang mit seinem Kind haben zu müssen, findet in der Entscheidung eine solche nicht. Wer in der Praxis Verfahren auf Verpflichtung eines Elternteiles betreibt, hat in der Regel unterschiedliche Motivationen. In den Fällen, in denen es lediglich darum geht, Streitigkeiten über die Einhaltung von Regelmäßigkeiten, Zeiten und Häufigkeit geht, ändert sich nichts daran, dass nicht nur die Verpflichtung, als auch die zwangsweise Durchsetzbarkeit möglich bleibt. Man sollte sich also nicht davon abhalten lassen, weiterhin Anträge gegen nicht betreuende Elternteile zu stellen. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, dass ein Elternteil vehement, auch unter dem Druck des Verfahrens und der Tatsache, dass er sich dort schon für sein Verhalten rechtfertigen muss, dann wird der an sein Kind denkende betreuende Elternteil davon ausgehen, dass dem Kind nicht mehr zuzumuten ist, sich mit einem solchen Elternteil auch noch auseinandersetzen zu müssen. Wenn das nicht so ist, so ist zunächst einmal zu prüfen, ob dafür nicht andere Gründe als das Kindeswohl bestehen.


Der vollständige Aufsatz wird veröffentlich in der Juris Online Fortbildung Familienrecht.



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Almuth Zempel


Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Dipl.-Rechtspflegerin (FH)

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