Für Bürger mit geringem Einkommen sieht
das Gesetz über die Rechtsberatung und Vertretung
für Bürger mit geringem Einkommen vom
18.6.1980, das Beratungshilfegesetz, die Möglichkeit
vor, Hilfe für die Wahrnehmung ihrer Rechte
in außergerichtlichen Angelegenheiten zu
erhalten.
Die Beratungshilfe ist dementsprechend das Pendant
für die außergerichtliche Tätigkeit
zur Prozesskostenhilfe im gerichtlichen Verfahren.
§ 2 Abs. 2 BerHG regelt, in welchen Sachgebieten
Beratungshilfe zu gewähren ist. Dazu gehören
Zivilsachen, Angelegenheiten des Verwaltungsrechts,
des Verfassungsrechts und begrenzt auf eine Beratung,
Angelegenheiten im Strafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht.
Beratungshilfe kann ferner in Angelegenheiten des
Arbeitsrechts und des Sozialrechts gewährt
werden. Ist es im Gesamtzusammenhang notwendig,
auf andere Rechtsgebiete einzugehen, wird auch
insoweit Beratungshilfe gewährt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 14.10.2008 - 1 BvR 2310/06 - FamRZ 08, 2179, entschieden, dass es mit Art. 3 I GG nicht zu vereinbaren ist, dass das Steuerrecht nicht zu den beratungshilfefähigen Angelegenheiten zählt
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall
ging es um die Gewährung von Kindergeld. Die
Bewilligung von Kindergeld nach dem EStG obliegt
den bei der Bundesagentur für Arbeit eingerichteten
Familienkassen, die hier aber als Finanzbehörde
tätig werden. Das Verfahren richtet sich nach
der AO, dementsprechend führt der Rechtsweg
in den Angelegenheiten des steuerrechtlichen Kindergeldes
gemäß § 33 Abs. 1 Nummer eins FGO
zu den Finanzgerichten.
Die Angelegenheiten, für die das Finanzgericht
zuständig ist, sind aber im abschließenden
Katalog des § 2 Beratungshilfegesetz nicht
enthalten, so dass für solche Angelegenheiten
Beratungshilfe bislang nicht gewährt werden
konnte.
Das Verfassungsgericht hat ausgeführt, dass
der Ausschluss steuerrechtlichen Angelegenheiten
aus dem Anwendungsbereich der Beratungshilfe mit
dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar
ist. Dementsprechend verletzt die Versagung von
Beratungshilfe die Personen, die in steuerrechtlichen
Angelegenheiten Beratungshilfe beantragen, in ihrem
Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Beratungshilfegesetz soll den Anspruch des
Bürgers auf grundsätzlich gleiche Chancen
von Bemittelten und Unbemittelten bei der Wahrnehmung
und Verfolgung ihrer Rechte im außergerichtlichen
Bereich schützen. Dabei handelt es sich um
einen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der auch
dem Rechtsgedanken der Prozesskostenhilfe zu Grunde
liegt.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh
aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG) und
dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) die
Forderung nach einer jedenfalls weit gehenden Angleichung
der Situation von bemittelten und unbemittelten
Personen im Bereich des Rechtsschutzes abgeleitet.
Auch der Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 III) verlangt,
dass der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang
zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher
Weise eröffnet, da der Staat die Bürger
zur Durchsetzung ihrer Rechte wiederum vor die
Gerichte verweist (BVerfGE 9 124; 35, 348).
Daraus ist in ständiger Rechtsprechung der
Grundsatz entwickelt worden, dass Unbemittelten
die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im
Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig
erschwert werden darf. Der Unbemittelte muss grundsätzlich
ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen
können, wie ein Begüterter. Das bedeutet
nicht, dass eine arme Partei immer die gleichen
Möglichkeiten haben muss, wie eine reiche
Partei. Vielmehr verlangt die Verfassung lediglich,
dass eine arme Partei einem solchen Bemittelten
gleichgestellt werden muss, der seine Aussichten
im Verfahren vernünftig abwägt und dabei
auch an sein Kostenrisiko denkt (BVerfGE 81, 347).
Bislang sind diese Grundsätze allein bei der
Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes angewendet
worden und dementsprechend bei der Bewilligung
von Prozesskostenhilfe angewandt und fortentwickelt
worden. Das Verfassungsgericht führt in der
zitierten Entscheidung aus, dass die Frage, ob
aus dem Verfassungsprinzipien, die den Grundsatz
der Rechtsschutzgleichheit tragen, eine Pflicht
zur Angleichung der Stellung Unbemittelten an die
Bemittelter auch für den außergerichtlichen
Rechtsschutz hergeleitet werden kann, bislang immer
offen gelassen worden sei.
Diese Frage ist nun bejaht worden. Der allgemeine
Gleichheitssatz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip
und dem Rechtsstaatsprinzip verlangt es, das der
Gesetzgeber auch im außergerichtlichen Bereich
die erforderlichen Vorkehrungen trifft, damit der
Rechtssuchende mit der Wahrnehmung und Durchsetzung
seiner Rechte nicht von vornherein an mangelnden
Einkünften oder ungenügendem Vermögen
scheitert.
Als Begründung führt das Gericht aus,
dass angesichts der rechtlichen Durchdringung nahezu
aller Lebensbereiche und der hohen Komplexität
und wechselseitigen Verknüpfung der einschlägigen
Regelungen der Bürger auf fachkundigen Rechtsrat
angewiesen sei, um im Vorfeld gerichtlicher Wahrnehmung
entscheiden zu können, ob und mit welchen
Erfolgsaussichten er seine Rechte gegebenenfalls
auch gerichtlich durchsetzen kann.
Darauf folgt wie bei der Prozesskostenhilfe aber
nicht die Verpflichtung, eine vollständige
Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten herbeizuführen.
Vielmehr hat der Gesetzgeber hierbei Gestaltungsspielraum.
Insbesondere darf der Rechtssuchende zunächst
auf zumutbare andere Möglichkeiten für
eine fachkundige Hilfe bei der Rechtswahrnehmung
verwiesen werden. Bei der Ausgestaltung der Vorschriften
hat der Gesetzgeber insbesondere den allgemeinen
Gleichheitssatz zu beachten.
Damit ist die Regelung des § 2 Beratungshilfegesetz
nicht vereinbar, wonach Beratungshilfe nur in den
dort ausdrücklich nach Rechtsgebieten aufgezählten
Angelegenheiten gewährt wird. Denn dadurch
wird eine Ungleichbehandlung von Rechtssuchenden
in beratungshilfefähigen Angelegenheiten gegenüber
solchen in nicht von der Aufzählung erfassten
Angelegenheiten herbeigeführt. Die Grenzen
des Gleichheitssatzes sind dann überschritten,
wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich
zu anderen Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede
von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.
Das ist nun insbesondere bei der Differenzierung
zwischen dem Sozialrecht und der Frage der Gewährung
von Kindergeld gegeben. Denn für die Gewährung
von Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz sind
die Finanzgerichte zuständig, nach derzeitiger
Rechtslage also ein Ausschluss bei der Beratungshilfe.
Für die Gewährung von Kindergeld nach
dem Bundeskindergeldgesetz ist wiederum der Sozialrechtsweg
gegeben, dementsprechend ist die Bewilligung von
Beratungshilfe möglich. Da auch die sonstigen
außergerichtlichen Möglichkeiten zur
Beratung der unbemittelten Parteien keine wesentlichen
Unterschiede aufweisen, ist eine Rechtfertigung
für die unterschiedliche Behandlung nicht
gegeben.
Das Verfassungsgericht folgt auch nicht der Meinung, der Ausschluss des Steuerrechts bei der Beratungshilfe sei es deshalb zu rechtfertigen, weil Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenrecht zu günstigen Bedingungen erhalten zu können, sei für Bürger mit geringem Einkommen kein vordringliches Problem. Gerade die Frage des Kindergeldes zeigt nämlich, dass es sehr wohl ein vordringliches Problem ist, nachdem bei geringen Einkommen gerade das Kindergeld eine wesentliche Stütze des Familienunterhaltes darstellt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Norm allerdings nicht für nichtig erklärt. Der Gesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten, die Entscheidung umzusetzen. Für die Übergangszeit legt das Bundesverfassungsgericht fest, das grundsätzlich auch in Angelegenheiten des Steuerrechts Beratungshilfe zu gewähren ist, sofern hierfür die allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit von grundsätzlicher Bedeutung, als erstmals deutlich der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass unabhängig vom Einkommen allen Bürgern der gleiche Zugang zu Rechtsberatung und den Gerichten gegeben sein muss, auch für die außergerichtliche Wahrnehmung von Rechten postuliert worden ist. Der Spielraum, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beratungshilfegesetzes gegeben wird, ist noch relativ groß, es ist nicht verlangt, dass das Steuerrecht dem Katalog des § 2 Beratungshilfegesetz einfach hinzugefügt wird. Dementsprechend kann der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung im Ergebnis auch dadurch beseitigen, dass z.B. das Sozialrecht nur noch eingeschränkt der Beratungshilfe fähig ist. Allerdings wird sich zu Recht jede gesetzliche Regelung daran messen lassen müssen, dass auch dem unbemittelten Bürgern für die vernünftige außergerichtliche Wahrnehmung seiner Rechte Hilfe zur Seite gestellt wird.
Bis zur gesetzlichen Neuregelung ist für alle steuerrechtlichen Angelegenheiten Beratunghilfe zu gewähren. Das bedeutet zunächst nicht nur für die Staatskasse eine Mehrbelastung, sondern hat auch Auswirkungen für die Rechtsanwälte, die im Steuerrecht tätig sind. Diese müssen die Partei, die sie für bedürftig halten, auf die Möglichkeiten der Gewährung von Beratungshilfe hinweisen, das verlangt das Standesrecht.
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